Flitsers voorkomen geen ongevallen





 

Seit es Radarfallen gibt, wird über deren Sinn unter Autofahrern heftig debattiert: Verhindern sie wirklich Unfälle - oder sind sie nur eine moderne Form von Wegelagerei? In einer Studie wurde jetzt erstmals der Nutzen von Blitzern untersucht.

Hamburg - Wohl jeder Autofahrer kennt das. Man fährt über Land, durchquert ein Dorf nach dem anderen. Dann das: Am Ortsende, die letzten Häuser sind schon lange passiert, vor einem liegt die leere Landstraße, man beschleunigt - und zack. Geblitzt.

Wer das schon mal erlebt hat, wird sich nicht nur geärgert, sondern auch gefragt haben: Warum steht ausgerechnet hier eine Radarfalle? Sollen damit wirklich Unfälle verhindert werden? Oder geht es vor allem darum, die Kasse der Kommune zu füllen?
Diesen Fragen ist Karl-Friedrich Voss nachgegangen. Er ist Vorstandsmitglied des Bundesverbands Niedergelassener Verkehrspsychologen (BNV) und sitzt in der Fachgruppe Verkehrspsychologie der deutschen Gesellschaft für Psychologie. In einer Untersuchung, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, hat Voss untersucht, welche Gruppe von Autofahrern am meisten geblitzt wird - und welche die meisten Unfälle verursacht. Sein Fazit ist eindeutig: "Radarkontrollen führen, so wie sie aktuell durchgeführt werden, nicht zu einer Verminderung des Unfallrisikos." Wird mit den Blitzern also nur Abzocke betrieben?

Junge Leute fahren riskant - werden aber selten geblitzt
Voss schreibt in seiner Untersuchung: "Fahrer aus Altersgruppen mit einem geringen Unfallrisiko werden übermäßig mit Punkten belastet, und Fahrer mit hohem Unfallrisiko werden zu selten kontrolliert." Zwar habe es seine Richtigkeit, dass jeder, der zu schnell fährt, bestraft werde, betont Voss. Aber im Hinblick auf die Verkehrssicherheit sei das jetzige Modell der Geschwindigkeitskontrollen ineffizient. "Die Polizei ist übereifrig beim Blitzen. Das ist kein angemessener Umgang mit Autofahrern", findet der Verkehrspsychologe.

Für seine Studie hat Voss zwei Datensätze aus dem Jahr 2008 unter die Lupe genommen: die Auflistung der Tempoverstöße und die Zahl der Unfälle wegen zu schnellen Fahrens.

Beide Statistiken sind nach Altersgruppen unterteilt. Aus den Daten lässt sich ablesen, dass das Unfallrisiko der Fahranfänger, also der 18- bis 20-Jährigen, besonders hoch war: pro Jahrgang wurden 2582 Unfälle registriert.
Im Vergleich zu der Gruppe der 25- bis 44-Jährigen, die mit 729 Unfällen pro Jahrgang das geringste Unfallrisiko aufwiesen, bauten sie also fast viermal so viele Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit.

Genau diese Fahranfänger wurden aber, das zeigen die Zahlen, viel zu selten geblitzt. Stattdessen wurden die meisten Geschwindigkeitsverstöße in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen registriert - mit 52.600 pro Jahrgang mehr als doppelt so viele wie bei den jungen Fahrern. Im Hinblick auf das Unfallrisiko erwischt das bislang durchgeführte Kontrollkonzept also die Falschen.

Fahranfänger seien vor allem nachts und an Wochenenden im Auto unterwegs, sagt Voss. Damit ihre Geschwindigkeitsübertretungen erfasst werden, müssten die Kontrollen viel stärker als bisher zu diesen Zeiten stattfinden. Außerdem fordert der Verkehrspsychologe, dass die Blitzer viel öfter an Unfallschwerpunkten aufgestellt werden. Voss: "Lieber weniger Leute blitzen, aber dafür an Orten, wo viel passiert."
Die Untersuchung dürfte einigen Autofahrern als Beleg für eine Vermutung dienen, die es schon so lange gibt, wie in Deutschland Tempolimits überwacht werden. Denn das, was der Verkehrspsychologe Voss als einen nicht angemessenen Umgang mit Autofahrern bezeichnet, nennt der Volksmund gerne Wegelagerei.

Zu wenig Personal, zu viel Bürokratie
Dieser Einschätzung will Deutschlands größter Automobilclub nicht widersprechen. "Wir haben oft den Eindruck, dass Messanlagen einfach dort aufgestellt werden, wo möglichst viel geblitzt werden kann", sagt Christoph Hecht, Verkehrsingenieur beim ADAC. Das sei, so Hecht, jedoch schwer zu beweisen.

Bei der Polizei hingegen wird abgewiegelt. "Den Vorwurf der Wegelagerei höre ich immer wieder", sagt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er nimmt seine Leute in Schutz: Polizisten hätten schließlich kein Interesse daran, viele Knöllchen zu verteilen. Zwar entscheiden die Gesetzeshüter zusammen mit den Kommunen, wo und wann Blitzer positioniert werden. Aber Wendt betont: "Wir profitieren davon nicht".

Nur an Unfallschwerpunkten Radarkontrollen durchzuführen, davon hält er nicht viel. Es gehe darum, "Flächendruck" aufzubauen: "Jeder ist überall durch Unfälle gefährdet, also muss auch jeder damit rechnen, überall geblitzt zu werden."

Doch genau an diesen Flächendruck glaubt Verkehrspsychologe Voss nicht - zumindest nicht bei den regulären Blitzkontrollen. "Da erhält man erst Wochen später den Bußgeldbescheid. Das ist aus lernpsychologischen Aspekten wirkungslos und bringt außerdem viel Bürokratie mit sich."

Videowagen statt Starenkästen
Statt den Fahrern mit Blitzanlagen aufzulauern, sollten nach Meinung von Voss mehr Videowagen zum Einsatz kommen. Bei dieser Methode werden Raser von der Polizei verfolgt und angehalten. Konfrontieren die Beamten sie dann direkt mit ihrem Vergehen, habe das im Hinblick auf die Verkehrserziehung viel mehr Wirkung.

Diese Verbesserungsvorschläge kann Wendt nachvollziehen. Videowagen sind auch seiner Meinung nach die "beste und nachhaltigste Methode", um Raser zur Räson zu bringen. Und der bürokratische Aufwand bei der Verfolgung von Verkehrssündern gehe ihm ebenfalls gehörig auf die Nerven. Es sieht nur ein Problem: "Um alle zu schnellen Fahrer sofort anzuhalten, mangelt es der Polizei an Personal und Ausrüstung."
Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, den von Wendt geforderten "Flächendruck" zu erzeugen, ohne den Verdacht der Wegelagerei zu nähren: Bei einem sogenannten Blitzmarathon wurden in Nordrhein-Westfalen kürzlich 24 Stunden lang fast eine halbe Million Verkehrsteilnehmer auf ihre Geschwindigkeit geprüft. Bemerkenswert: Im Internet hatte die Polizei zuvor die Kontrollen angekündigt. Nur 17.200 Fahrer waren trotzdem zu schnell unterwegs - ein vergleichsweise kleiner Anteil.

Für Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, war die Aktion deswegen ein voller Erfolg. Die Autofahrer seien verantwortungsbewusster gefahren, man habe sie daran erinnert, wie gefährlich zu schnelles Fahren sei. "Ziel unserer Aktion waren nicht mehr Knöllchen", sagte er, "sondern weniger Verkehrstote."

 
 
Bron: Spiegel Online (Duitsland)
 
  14-2-2013  


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